Lesemonat Mai ’23

Lesetagebuch Mai 2023

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Gelesene Titel

Lesetagebuch:

🇩🇪 Shalini Boland: Das Kind nebenan
🇩🇪 Übersetzung: Larissa Jolitz
🇺🇸 Originaltitel: The Child Next Door

Eine junge Mutter hört nachts übers Babyphon das Schreien ihrer kleinen Tochter, und dann eine unbekannte Stimme: »Lass uns das Kind nehmen und verschwinden.« In atemlosem Schrecken rennt sie hoch ins Kinderzimmer – aber ihre Tochter liegt friedlich schlafend im Bett. Hat sich ihr Babyphon vielleicht mit dem Babyphon eines Nachbarn verbunden? Wurde ein anderes Kind entführt? Doch niemand scheint ihr zu glauben, dass sie diese Stimme wirklich gehört hat. Nicht die Polizei, nicht ihre beste Freundin, nicht ihr Mann.

Das Kind nebenan

Dieser Thriller ist wieder mal einer der Sorte »Protagonist:in wird zunehmend isoliert, da ihm oder ihr niemand glaubt«. Das ist immer eine spannende Grundlage, die die Türen öffnet für eine Vielzahl von Themen. Hier gerät Protagonistin Kirstie zum Beispiel zunehmend ins Zweifeln, ob ihr Mann wirklich hinter ihr steht, und ob ihre beste Freundin sie einfach nur als Geldmaschine ausnutzt, aber nicht da ist, wenn Kirstie sie mal wirklich braucht.

Und die Nachbarn – weiß man eigentlich, wer die wirklich sind? Hält der Sonderling von nebenan womöglich ein Baby in seinem Keller versteckt?

Gute Grundidee, viel Potenzial für Spannung und Charakterentwicklung — doch leider verpufft meines Erachtens beides im Verlaufe einer Handlung, in der sich zu viel wiederholt und die Protagonistin zunehmend absurd agiert. Das Buch liest sich immer noch leidlich unterhaltsam, aber es ist für mich definitiv ein »kann man lesen, muss man aber nicht«.

Rezension: »Das Kind nebenan« von Shalini Boland

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🇩🇪 Vera Buck: Wolfskinder

In der abgeschiedenen Siedlung Jakobsleiter lebt eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich nach außen komplett abschottet. Mit der modernen Gesellschaft will man nichts zu tun haben, und das reicht vom Smartphone bis zur Emanzipation. Die Teenager schickt man nur mit Widerwillen zur Schule in der nächsten Kleinstadt der Bergregion, wo sie verpottet und brutal gemobbt werden. Während der 16-jährige Jesse zufrieden ist mit dem einfachen Leben in Jakobsleiter, will die gleichaltrige Rebekka mehr: Sie will die Welt sehen, sie will frei sein. Als sie spurlos verschwindet, muss Jesse sich fragen, ob sie geflohen oder ob ihr etwas zugestoßen ist.

Journalistin Smilla besucht die Region, um sich an ihre beste Freundin zu erinnern, die hier vor einigen Jahren ebenfalls verschwand. Lebt Juli noch oder ist sie damals einer Gewalttat zum Opfer gefallen? Als ihr ein Mädchen begegnet, dass frappierende Ähnlichkeiten mit Juli hat, kommt Smilla einem dunklen Geheimnis auf die Spur. Auch die Lehrerin der Schule fragt sich zunehmend beunruhigt, was eigentlich vorgeht ins Jakobsleiter.

Vera Buck: Wolfskinder

Die Geschichte entfaltet eine düstere Kult-Atmosphäre, und die Autorin unterstreicht dies mit stimmungsvollen Beschreibungen der Schauplätze, die wie aus der Zeit gefallen wirken: Jakobsleiter ist kein Ort der unbeschwerten Lebensfreude, und die dunklen Wälder und Schluchten der Umgebung vermitteln ein Gefühl der lebensfeindlichen Trostlosigkeit. Hier gibt es weder ärztliche Versorgung noch Internet oder Funknetz – also keine Möglichkeit, sich rasch Hilfe zu holen. Ein Großteil der Wirkung des Thrillers speist sich aus einem tief verwurzeltem Gefühl der Beklemmung, Schatten einer archaischen Angst.

Rezension: »Wolfskinder« von Vera Buck

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🇩🇪 Claire Douglas: Liebste Tochter
🇩🇪 Übersetzung von: Ivana Marinović
🇬🇧🇺🇸 Originaltitel: The Couple at No. 9

Saffy und ihr Mann Tom können ihr Glück kaum fassen: Wie sich herausstellt, ist Saffys demente Großmutter Rose im Besitz eines hübschen Häuschens, von dem zuvor niemand etwas wusste – und das wird ihnen nun von Saffys Mutter Lorna zur Verfügung gestellt! Mit Elan gehen die beiden daran, ihr trautes Heim einzurichten und auch Veranda und Garten umzugestalten. Doch dann finden die bestellten Bauarbeiter menschliche Knochen, und aus dem Traumhaus wird ein Albtraum.

Claire Douglas wechselt gekonnt zwischen verschiedenen Perspektiven, Handlungs- und Zeitebenen, ohne den logischen Zusammenhang jemals abreißen zu lassen. Eine Wendung folgt der anderen, aber man sollte sich nicht davon abschrecken lassen. Auch wenn man zwischendurch ob der Komplexität dieser vielschichtigen Geschichte vielleicht mal daran zweifeln mag, ergibt im Rückblick alles Sinn.

»Liebste Tochter« erzählt eine spannende, psychologisch tiefgründige Geschichte voller Geheimnisse und unerwarteter Verwicklungen. Die Wendungen und Enthüllungen sind geschickt konstruiert und der Schreibstil packend und atmosphärisch.

Rezension: »Liebste Tochter – Du lügst so gut wie ich« von Claire Douglas

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🇩🇪 Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne
🇩🇪 Übersetzung: Johanna Wokalek
🇬🇧 Originaltitel: Klara and the Sun

»Klara ist ein Artificial Friend, eine künstliche Intelligenz, die dafür entwickelt wurde, Jugendlichen eine Gefährtin zu sein auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Von ihrem Platz im Schaufenster eines Spielzeuggeschäfts aus beobachtet sie ganz genau, was draußen vor sich geht, studiert das Verhalten der Kundinnen und Kunden und hofft darauf, bald von einem jungen Menschen als neue Freundin ausgewählt zu werden. Als sich ihr Wunsch endlich erfüllt und ein Mädchen sie mit nach Hause nimmt, muss sie jedoch bald feststellen, dass sie auf die Versprechen von Menschen nicht allzu viel geben sollte.«
(Klappentext)

Klara und die Sonne

Dies ist mein drittes Buch von Kazuo Ishiguro, und auch dieses hat mich wieder sehr berührt. Der Schreibstil, die Charaktere, die angesprochenen Themen, alles fügt sich nahtlos zusammen zu einem Buch, das zum Nachdenken anregt.

Rezension: »Klara und die Sonne« von Kazuo Ishiguro

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🇩🇪 Alma Lundt: Das Moorkind

Kinderärztin Martha Roth behauptet, ein kleines Mädchen sei auf ihrer Station gestorben, doch niemand außer ihr kann sich an das Kind erinnern. Besessen von der Suche nach der Wahrheit, gerät sie immer tiefer in einen Strudel aus Ungewissheit und (Selbst-)Zweifeln, während die Grenze zwischen Realität und Wahnvorstellung zunehmend verschwimmt. Ihr Verhalten ufert ins Untragbare aus, mit gravierenden Konsequenzen: Sie verliert ihren Freund, ihren Job und möglicherweise auch ihren Verstand.

Nach Monaten in einer Entzugsklinik wird sie entlassen – und findet einen halbtoten Jungen am Straßenrand, der spurlos verschwindet, als sie ihn ins Krankenhaus bringen möchte.

Alma Lundt: Das Moorkind

Meines Erachtens krankt die durchaus interessante Grundidee an einer unausgereiften Protagonistin, stilistischen Schwächen, unglaubwürdigen Entwicklungen und einer Auflösung, die auf mich übereilt und nicht ganz abgeschlossen wirkt.

Ganze Rezension: »Das Moorkind« von Alma Lundt

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🇩🇪 Yade Yasemin Önder: Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron

Yade Yasemin Önder erzählt die Geschichte einer jungen Frau mit multikulturellem Hintergrund, die in der westdeutschen Provinz aufwächst. Nach dem frühen Tod ihres türkischen Vaters kämpft sie mit der problematischen Beziehung zur deutschen Mutter und ihrer eigenen Essstörung. Im Laufe des Romans wird die Protagonistin immer wieder mit schwierigen Situationen konfrontiert, zerbricht ein Stück weit daran und muss lernen, sich neu zu formen und zu finden. Der Roman behandelt Themen wie Identität, Herkunft und körperliche Selbstbestimmung.

Yade Yasemin Önder: Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron

Die Sprache ist intensiv, findet ungewöhnliche Bilder, springt durch Zeit und Raum und driftet oft ab ins Absurde. In einem Moment ist eine Szene noch vollkommen realistisch, im nächsten gleitet sie ab ins humoristisch Surreale. Das Buch ist ein steter Zyklus von Verlieren und Wiederfinden, Zerfallen und Wiederzusammensetzen. Habe ich alles verstanden? Himmel, nein, aber das ist meines Erachtens auch nicht das Ziel.

Rezension: »Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron« von Yade Yasemin Önder

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🇩🇪 Alexander Oetker; Thi Linh Nguyen: Die Schuld, die uns verfolgt

»An einem brütend heißen Sommertag wird in Berlin-Wedding ein kleines Mädchen entführt. Zur gleichen Zeit ereignet sich im brandenburgischen Rheinsberg in einer kleinen Bankfiliale ein Überfall mit Geiselnahme. Zwei Fälle, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, aber im Verborgenen zusammenhängen. Als an diesem Morgen bei Linh-Thi Schmidt, Deutsch-Vietnamesin und Polizeioberkommissarin in Rheinsberg, und ihrem Ehemann Adam Schmidt, Kriminalhauptkommissar der Berliner Polizei, die Diensthandys klingeln, ahnen sie noch nicht, was ihnen bevorsteht: ein Tag, der sie beide an ihre Grenzen bringt und Erinnerungen weckt an jene alte Schuld, die Adam und Linh-Thi zusammengeführt hat und seither verfolgt.«
(Klappentext)

Die Schuld, die uns verfolgt

Alexander Oetker und Thi Linh Nguyen liefern einen soliden Reihenauftakt, der eine vielversprechende Grundlage für zukünftige Folgebände bereitstellt. Die Fälle sind gut konstruiert, die Charaktere vielschichtig und der Schreibstil sehr ansprechend und gut zu lesen.

Rezension: »Die Schuld, die uns verfolgt« von Alexander Oetker & Thi Linh Nguyen

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Buch 2

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