#Rezension Angélique Mundt: Trauma

Angélique Mundt: Trauma

© Cover ‘Trauma’: btb Verlag
© Bild Smartphone: Pixabay

Handlung

In ihrem Traum begeht Leila einen Mord. Sticht immer wieder ein auf diesen Mann, damit er nie mehr lügt, es ist ganz leicht. Das Blut durchtränkt ihr Kleid, während misstönende Musik erklingt. Eine Taube in der Nähe schnalzt höhnisch und gurrt: “Ginseng. Ginseng Abu Lasemir.” Dann schreckt Leila aus dem Schlaf und muss sich fragen: war es wirklich ein Albtraum – oder eine Erinnerung? Im Schrank liegt eine blutige Schere… Oder vielleicht auch nicht, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen.

Tatsache ist, ein geliebter Mensch ist tot, brutal emordet. War sie es? Könnte sie so etwas wirklich tun? Und warum? Der emotionale Schmerz ist mehr, als sie aushalten kann. Wenig später erwacht sie als Hauptverdächtige in der Psychiatrie, ohne konkrete Erinnerungen an die Tatnacht. Mit Hilfe der Psychiaterin Dr. Valentina Freytag versucht sie, sich daran zu erinnern, was wirklich passiert ist – auch wenn sie sich vielleicht als Mörderin entpuppt. Und es scheint, als meine es jemand in der Psychiatrie nicht gut mit ihr…

Bist du fähig zur Gewalt?

Die Erinnerungen zu verlieren, muss traumatisch sein. Dich ernsthaft fragen zu müssen, ob du einen Mord begangen hast, umso mehr. Leila hat keinen Halt mehr, sie kann sich selbst nicht mehr vertrauen. Ihre Gedanken springen hin und her, ihre Gefühle schwanken zwischen Extremen… Obwohl sie sonst eine Person ist, die sich eher unterordnet, braust sie manchmal auf, wird wütend, misstraut jedem.

Die Menschen um sie herum haben ihre ganz eigenen Probleme und Traumata, umsonst ist schließlich niemand in der Psychiatrie. Es ist für alle eine Ausnahmesituation, eine Grenzerfahrung. Manche reagieren darauf mit kauzigen Marotten, andere mit aggressiver Verzweiflung. Und dennoch findet Leila unter ihnen Verbündete und Verständnis, während sich eine Kluft zwischen ihr und den Menschen in ihrem Leben auftut. Die demenzkranke Hanne und der schwerst depressive Benjamin stehen ihr zur Seite, obwohl sie sich selbst emotional im freien Fall befinden.

»Nur weil ich die Abgründe kenne, kann ich darüber schreiben.«

Angélique Mundt

Wer könnte dieses Umfeld besser in Worte fassen als eine Autorin wie Angélique Mundt? Die Diplom-Psychologin mit eigener psychotherapeutischer Praxis ist seit 2009 ehrenamtlich im Kriseninterventionsteam KIT des Deutschen Roten Kreuzes tätig. Sie hat Erfahrung mit Menschen in Krisensituationen, die Traumatisches erlebt haben.

Meines Erachtens kommt diese Erfahrung dem Buch und vor allem der Darstellung der Charaktere sehr zugute. Leila ist aufgrund ihres aufgewühlten Gemütszustandes eine unzuverlässige, manchmal anstrengende Erzählerin, liest sich aber authentisch und glaubhaft, so dass ich ihren Gedankengängen dennoch gerne gefolgt bin. Du bist als Leser:in ganz nah dran an ihren Ängsten, Zweifeln, Hoffnungen, ihrer Wut und ihrer Verzweiflung. Du leidest mit ihr, wenn sie ihre kleine Tochter vermisst und ihre verlorene Zukunft betrauert. Auch die anderen Charaktere fand ich gut geschrieben; die sympathischen wie die weniger sympathischen sind nachvollziehbar in dem, was sie antreibt.

“Hinter mir ein Geräusch.”

Die Spannung ergibt sich vor allem aus der Frage, ob Leila die Mörderin ist – um das herauszufinden, muss sie ihre Erinnerungen an die Tatnacht wiedererlangen, und zwar schnell. Der Kommissar, der sie aus der Psychatrie in die Untersuchungshaft verlegen will, weil er von ihrer Schuld überzeugt ist, lässt sich zunehmend unwilliger hinhalten.

Abgesehen davon entwickelt sich noch eine andere Art von subtiler Spannung, die sich gänzlich in Leilas Psyche abspielt. Ihre ganze Existenz ist in sich zusammengestürzt wie ein Kartenhaus, und sie muss sich fragen, ob es ihre eigene Schuld ist – und was sie eigentlich vom Leben will, sofern sie dieses nicht im Gefängnis verbringen muss. Denn ihr wird klar, dass sie zulange anderen die Entscheidungen überlassen hat.

Spannung, Schlüssigkeit, Schreibstil

Relativ früh habe ich ein paar Entwicklungen im Ansatz vorhergesehen; die tatsächliche Auflösung hatte aber dann noch ein paar Widerhaken und Wendungen zu bieten, so dass ich das nicht als Manko sehe. Im Rückblick finde ich die Spannung gut aufgebaut und die Geschichte geschickt konstruiert. Auch der Schreibstil liest sich sehr unterhaltsam, ohne der Spannung dabei Abbruch zu tun, und immer passend für Leilas Erlebnisse und ihre emotionale Zerreißprobe.

Der größte Pluspunkt des Buches ist für mich die ungewöhnliche Perspektive, die sich aus Leilas Erinnerungslücken und ihrem Aufenthalt in der Psychatrie ergibt. Dazu kommt, dass die Leser:innen alles ausschließlich aus ihrer Sicht sehen und dadurch nach und nach mit ihr gemeinsam den Fall aufklären. Die Autorin schildert die Geschehnisse sehr überzeugend und hochinteressant, legt den Fokus dieses Psychothrillers tatsächlich auf die Psyche.

Fazit

Lieblingsbuch

Leila ermordet in einem Albtraum einen Mann, und als sie erwacht, verwischen sich die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit. Denn eine geliebte Person aus ihrem Umfeld ist tot – ermordet auf eine Art und Weise, die sich mit Leilas Traum deckt. Aus Verzweiflung verletzt sie sich selbst und landet als Hauptverdächtige in der Psychiatrie. Sie hat keine Erinnerung an die Tatnacht, nur diesen Traum, doch das glaubt ihr niemand.

Ich fand es sehr interessant, einen Thriller aus Sicht einer Frau zu lesen, die selber nicht weiß, ob sie die Mörderin ist. Ungewöhnlich ist auch die Perspektive, da Leila für einen Großteil des Buches in der Psychatrie festsitzt und sich ihre Ermittlungen daher auf die eigene Person und ihre Erinnerungen konzentrieren. Insgesamt ist “Trauma” in meinen Augen ein sehr spannender und intelligenter Thriller.

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TitelTrauma
Originaltitel
Autor(in)Angélique Mundt
Übersetzer(in)
Verlag*btb
ISBN / ASIN978-3442718108 (Taschenbuch)
B086TYJ4VQ (eBook)
Seitenzahl*352
Erschienen im*April 2021
Genre*Thriller
bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches
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