#Rezension David Schalko: Bad Regina

David Schalko: Bad Regina

Ein Rezensionsexemplar des Buches wurde mir von Netgalley im Auftrag des Verlags zur Verfügung gestellt.

© Cover ‘Bad Regina’: Kiepenheuer & Witsch
© Bild Smartphone: Pixabay

Der schrille Ausverkauf Europas

Ich war beim Lesen hin- und hergerissen. Mal habe ich mich köstlich amüsiert, mal gelangweilt, mal geärgert… Unterm Strich bleibt ein Leseerlebnis stehen, das im Guten wie im Schlechten zumindest originell und einfallsreich ist. Aber reicht das?

Die Grundidee ist grandios:

Wer ist Chen? Woher kommt er? Was will er? Niemand weiß es. Nur soviel: Er ist reich. Er ist vermutlich Chinese. Er kauft den Kurort Bad Regina auf, Stück für Stück, und lässt ihn ausbluten.

Chen ist allgegenwärtig in den Gedanken der Bewohner des ehemals idyllischen Ortes – eine graue Eminenz, rätselhaft und dabei merkwürdig nichtssagend, auf sterile Art bedrohlich. In unregelmäßigen Abständen taucht er auf, unterbreitet jemandem ein Angebot, das er oder sie nicht ablehnen kann, und derjenige stiehlt sich dann über Nacht in aller Stille davon.

Es sind nur noch 46 der ursprünglichen Bürger der Stadt übrig – aber die haben die Nase gestrichen voll und sind wild entschlossen, sich ihre Stadt zurückzuholen. Wenigstens das, was davon noch übrig ist…

Sprachlich hat der Roman viel Witz und Esprit zu bieten.

Die Dialoge sind kostbar, mit boshaftem Schalk knackig geschrieben. Sie lassen immer wieder vergessen, dass die Grundidee der Geschichte zwar spannend ist, die Umsetzung sich aber leider zieht wie Kaugummi… Dabei werden durchaus interessante Themen angesprochen!

Es gibt einige glorreiche Passagen, in denen es *klick* macht und die Satire einfach funktioniert. Böse, böse, böse auf die allerbeste Art. Aber letztlich übersättigt das Buch: alles wird bis ins Absurde übersteigert – immer mit der groben Kelle, immer alles knallbunt und auf 180. Irgendwann überrascht einen nichts mehr.

Mir ging die Spannung dadurch verloren – der Plot erschien mir letztlich zu dünn, um das Buch über 400 Seiten zu tragen.

Die meisten Charaktere sind rassistische und sexistische Proleten.

Sie haben es längst aufgegeben, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen, und geben einem herzlich wenig Anlass, sie zu mögen. Da wird populistischer Nonsens jeglicher Art versprüht und nicht nur gegen Flüchtlinge gewettert, die nun wirklich das geringste Problem des Ortes sind. Selbst der Bürgermeister scheint haarscharf vorm Hitlergruß.

“Wir weisen darauf hin, dass einige Figuren des Romans rassistische Sprache verwenden.”

Damit beginnt das Buch

Sogar Vergewaltigung fehlt nicht auf dieser Bingokarte der Vorhölle – der Täter ist ausgerechnet ein Charakter, der ansonsten das größte Potential hat, ein anständiger Mensch zu sein. Das wird nicht an die große Glocke gehängt, sondern auf beklemmende Art normalisiert. Sprich: wer hier kein Arschloch ist, dreht meist nicht mehr ganz sauber oder wurde von diesem Ort schlichtweg zugrunde gerichtet. Selbst Protagonist Othmar ist davon nicht ausgenommen.

So kurios das Personal dieses Romans auch ist, eine echte eigenständige Persönlichkeit bringen die wenigsten mit.

Überwiegend lesen sich die Charaktere wie Abziehbilder oder auf die Spitze getriebene Klischees. Sie stagnieren in ihrer erbärmlichen Existenz, da entwickelt sich rein gar nichts – das zehrt auf Dauer an den Nerven. Daran scheitert auch der Tiefgang, den das Buch meines Erachtens bräuchte, um das Grelle und Absurde auszugleichen. Ja, es gibt durchaus die ein oder andere Portion Gesellschaftskritik, aber die geht meines Erachtens unter dem Klamauk unter.

Das Ende las sich für mich dann auch eher enttäuschend.

Die Bewohner des Ortes starten gemeinschaftlich einen herrlich absurden Coup, die Spannung schnellt kurz hoch wie ein furioses Feuerwerk… Und verpufft dann wie ein Knallbonbon.

Die Auflösung ist schlüssig und macht Sinn, kommt meines Erachtens aber leider etwas zu spät. Der Charakter, der im Zentrum dieser Auflösung steht, spielte davor kaum eine Rolle in der Geschichte, wodurch das Ende etwas blass und aufgesetzt wirkt.

Fazit

Nicht ganz überzeugt

Ein mysteriöser Chinese kauft einen heruntergekommenen Kurort in Österreich auf, Haus für Haus, nur um ihn weiter verfallen zu lassen. Die letzten 46 Bewohner verbringen ihre Tage damit, zu saufen, gegen Ausländer zu wettern und sich gegenseitig insgeheim zu verabscheuen. Als sie beschließen, sich diese stille Enteignung nicht länger bieten zu lassen, läuft nichts wie geplant…

Der Schreibstil ist großartig, der Humor hat seine triumphalen Momente – die Handlung kommt allerdings nicht so recht in die Gänge. Dass die Charaktere fast alle rassistische, sexistische und/oder populistische Unsympathen sind, macht das Lesen nicht einfacher, obwohl es natürlich Anlass für bissige Pointen bietet. Leider sind die Charaktere stark übersteigert, aber gleichzeitig mangelt es ihnen an echter Persönlichkeit.

Rezensionen zu diesem Buch bei anderen Blogs

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TitelBad Regina
Originaltitel
Autor(in)David Schalko
Übersetzer(in)
Verlag*Kiepenheuer & Witsch
ISBN / ASIN978-3-462-05330-2 (Hardcover)
978-3-462-31999-6 (eBook)
Seitenzahl*400
Erschienen im*Januar 2021
Genre*Gegenwartsliteratur
Satire
bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches
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