#Rezension Gilly Macmillan: Die Nanny

Gilly Macmillan: Die Nanny

© Cover ‘Die Nanny’: Blanvalet-Verlag
© Bild Smartphone: Pixabay

Handlung

Jo fühlte sich Zeit ihres Lebens ungeliebt von ihrer Mutter, der Lady Holt. Einzig Nanny Hannah spendete dem einsamen Kind Wärme und Zuneigung – bis sie eines Nachts spurlos verschwand.

Dreißig Jahre später ist Jo durch unglückliche Umstände gezwungen, mit ihrer Tochter Ruby zurückzukehren an den Ort ihrer trostlosen Kindheit: das Anwesen der adligen Mutter, wo sie sich nach wie vor abgelehnt und ungeliebt fühlt. Daher kann sie ihr Glück kaum fassen, als eines Tages eine Frau vor der Tür steht, die behauptet, Hannah zu sein und Jo niemals freiwillig verlassen zu haben… Doch wer ist dann die Frau, deren Leiche vor kurzem im See gefunden wurde?

Um mit einem positiven Punkt zu beginnen:

Hochinteressant ist, wie widersprüchlich die verschiedenen Charaktere bei jedem Perspektivwechsel gezeichnet werden.Wer gerade noch zuckersüß und sympathisch wirkte, erscheint aus dem Blickwinkel einer anderen Person berechnend und kalt – oder umgekehrt.

Als Leser merkt man schnell, dass man sich so oder so kein voreiliges Urteil bilden sollte, weil man nicht weiß, wie weit man den Wahrnehmungen und Erinnerungen bestimmter Charaktere trauen kann. Obwohl deren Erinnerungsfetzen alles andere als untrüglich sind, setzt sich nach und nach ein verschwommenes, indes eindeutiges Gesamtbild zusammen.

Aus anfänglich flach erscheinenden Figuren werden nach und nach Menschen mit Ecken und Kanten, mit echtem Herzblut und schlüssigen Hintergrundgeschichten.

Leider bleibt ausgerechnet Protagonistin Jo, Fix- und Angelpunkt der Geschichte, recht blass.

Über weite Passagen lässt sie keine nennenswerte Entwicklung erkennen, wenn sie ihr nicht von außen aufgezwungen wird. Dies erweist sich im Laufe des Buches zwar als folgerichtig, dennoch wirkt sie dadurch blutarm. Es sind stattdessen die beiden Widersacherinnen, die am interessantesten sind: Nanny Hannah und Mutter Virginia, die sich aufs Blut nicht ausstehen können.

Die Hintergrundgeschichte, warum dem so ist, entpuppt sich als erfreulich komplex und vielschichtig. Es geht nicht nur um die Tote um See, sondern auch um andere Vergehen. Außerdem gewinnt der Leser einen Einblick in das dekadente Luxuslebens des gelangweilten Adels – und dessen mal mehr, mal weniger harmlose Abgründe.

Es kommt zu einigen erstaunlichen Enthüllungen.

Dinge passieren, die eigentlich nicht sein können, aber wider jegliche Probabilität dennoch so sind… Oder doch nicht? Wieder und wieder kippt das Bild, und mehr als ein Charakter intrigiert meisterhaft, während ein anderer Charakter sich der gedanklichen Ketten nicht bewusst ist.

Bis zu einem gewissen Punkt ist das großartig geschrieben und wahnsinnig geschickt konstruiert, da macht das Lesen und Miträtseln sehr viel Spaß.

Leider fällt dieses Kartenhaus in den letzten Abschnitten des Buches in sich zusammen.

Eine Entwicklung ist mehr als fragwürdig: ein Charakter vollbringt Dinge, die meines Erachtens schlichtweg unmöglich sind. Das Verhalten dieses bisher sehr eindeutig gezeichneten Charakters fällt außerdem vollkommen aus der Rolle, ohne dass die Gründe nachvollziehbar wären.

Mein Eindruck war: das muss so sein, weil das Ende des Buches sonst nicht funktionieren würde – nicht, weil es Sinn macht für diesen Charakter! Danach wurde es für mich auch recht vorhersehbar.

Dabei ist das Potential eigentlich vorhanden:

Die Autorin hat im ersten Teil des Buches das Fundament für einen großartigen Spannungsroman mit überzeugendem Ende gelegt. Aber ganz am Schluss greift sie manche losen Fäden nicht mehr auf, lässt sorgfältig gelegte Fallen verstauben, missachtet ihre eigenen psychologischen Winkelzüge…

Fazit

Nicht ganz überzeugt

Das Buch schlug mich schnell in seinen Bann, ich fand es flüssig und spannend geschrieben, sowie gekonnt konstruiert. Ich fieberte und rätselte mit, ich las es mit viel Vergnügen – endlich mal wieder ein echtes Spannungs-Highlight!

Leider fand ich die Auflösung dann aber wenig glaubhaft und dadurch enttäuschend. Vorher hätte ich das Buch vorbehaltlos als Must-Read weiterempfohlen, jetzt muss ich zu meinem Bedauern Abstriche machen.

Dennoch: ich bereue nicht, “Die Nanny” gelesen zu haben – vom Ende abgesehen ist das Buch unterhaltsam und spannend. Muss man nicht lesen, kann man aber sehr gut!

Rezensionen zu diesem Buch bei anderen Blogs

franzi liest
Food Meets Books
missmesmerized
Herzgedanke
buch-leben
Vivi’s Chamber of books
Claudius Bücherhöhle

Empfehlungen aus dem gleichen Genre

Tana French: Der dunkle Garten
Antti Tuomainen: Die letzten Meter bis zum Friedhof
Ane Riel: Harz

 

  
TitelDie Nanny
OriginaltitelThe Nanny
Autor(in)Gilly Macmillan
Übersetzer(in)Sabine Schilasky
Verlag*Blanvalet
ISBN / ASIN978-3-7645-0717-6 (Paperback)
978-3-641-25132-1 (eBook)
Seitenzahl*448
Erschienen im*Juli 2020
GenreSpannungsliteratur
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches
Die folgenden Links kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung :

Das Buch auf der Seite des Verlags
Das eBook auf der Seite des Verlags

signature
RSS Feed buecher InstagramLovelybooks ReadO Was Liest Du
RSS Feed / buecher.de / Instagram
Lovelybooks / Was Liest Du?
Read-O: @mikka.liest
(Leider musste ich die Kommentarfunktion auf WordPress
wegen massivem Spam und Botattacken ausstellen!)