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Das geht im Moment auf Instagram herum – aber ich dachte, das möchte ich auch gerne auf meinem Blog posten und nicht nur dort! Wie der Titel vermuten lässt, geht es einfach um einen Rückblick auf die erste Hälfte des Jahres.
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Favorite Book:
Percival Everett: Erschütterung
Der Paläontologe Zach Wells existiert in selbsterwähltem Stillstand. Er ist leidlich zufrieden mit seiner Arbeit, seiner Ehe, seinem Leben, warum also etwas ändern? Nur die Liebe zu seiner Tochter Sarah ist ein Lichtblick, ein strahlender Komet am Himmel seiner Mittelmäßigkeit. Als das kleine Mädchen jäh erkrankt – unheilbar, unerträglich – erschüttert das Zachs Existenz in den Grundfesten. Er kann nicht umgehen mit der eigenen Hilflosigkeit; die bislang so bequeme Stasis wird zur Zwangsjacke, die ihn sehenden Auges und klaren Verstands zur Untätigkeit verdammt.
Es geht um Trauer, ja. Es geht um Schuld und Erlösung. Es geht darum, wie wir irgendwo zwischen Absicht und Aktion die Kontrolle über unsere Leben verlieren können. Es geht um emotionale Wahrheiten, die auch im Angesicht kalter Fakten nicht weniger wahr werden. Und immer wieder ist da so ein Gefühl, dass die Geschichten, die wir uns selber erzählen, nicht weniger wichtig sind als das tatsächliche Geschehen.
Percival Everett erzählt eine Geschichte voller feiner Nuancen und tiefsinniger Bedeutungsebenen, und das in einer wunderbaren klaren Sprache, die ohne Pathos mitreißt und bewegt.
[Link] #Rezension Percival Everett: Erschütterung
Least Favorite Book:
Ariane Koch: Die Aufdrängung
Eine Frau nimmt einen Gast auf. Alles andere ist Ansichtssache.
Alle, alle drängen sich der Erzählerin auf; so könnte man zumindest meinen. Bar jeder Selbstreflexion verdammt sie sich indes in ihren eigenen Worten (denen man übrigens nicht glauben darf) als diejenige, die sich aufdrängt. Ob das Ganze eine Parabel ist, ein Schelmenstück oder eine bitterböse Satire – das ist eine gute Frage, die ich mir nicht beantworten kann. Eine fortlaufende Handlung gibt es auf jeden Fall nicht, nur Episoden, die vielleicht etwas bedeuten, vielleicht auch nicht.
Die Sprache erschien mir über weite Strecken als zu gewollt. Seht her, Tiefgang! Dann wieder rezitiert die Erzählerin gebetsmühlenartig Sätze, die penetrant an der Oberfläche bleiben; das ist so widersprüchlich wie alles an dieser Geschichte. Ich biss mir die Zähne daran aus, und dennoch haderte ich mit mir und meiner Meinung. Denn es gibt Passagen, die schlagen ein wie Granaten – so grandios, dass mir der Atem stockt. Bitte mehr davon! Auch von dem ironischen Humor, der immer mal wieder aufblitzt, hätte ich gerne mehr gesehen.
Aber leider bleibt mir am Schluss nur die Einsicht: Du kannst nicht alle Bücher lieben, und das muss nicht mal die Schuld der Bücher sein.
[Link] #Rezension Ariane Koch: Die Aufdrängung
Prettiest book:
Stefanie vor Schulte: Junge mit schwarzem Hahn
Stefanie vor Schulte erzählt ein bildgewaltiges, düsteres Märchen, das wie aus der Zeit gefallen wirkt und mich dennoch auch als moderne Leserin begeistern konnte. Wie die alten Märchen, die die Jahrhunderte überdauert haben, ist es eine Geschichte voller Abgründe, voller Grausamkeit, deren Schatten man mit leisem Unbehagen in der eigenen Realität erahnt. Für nötige Balance sorgt ein kindlicher Held, der dem Elend und Leid seiner Welt mutig Liebe und Hoffnung entgegensetzt.
Die Sprache ist großartig, intensiv und beschwörend, die Geschichte verwebt ihre Spannungsfelder und Schlüsselcharaktere in den einfachen Rahmen einer Völksmär. Die Atmosphäre erinnerte mich streckenweise an »Krabat« von Otfried Preußler, doch »Junge mit schwarzem Hahn« ist beileibe kein Abklatsch, sondern etwas ganz Eigenes.
[Link] #Rezension Stefanie vor Schulte: Junge mit schwarzem Hahn
Longest Book:
Camilla Läckberg & Henrik Fexeus: Schwarzlicht
Leider war ich zunehmend enttäuscht, und im Endeffekt stellte sich heraus, dass Täter:in (ich möchte hier kein genderspezifisches Wort verwenden, um nicht zu verraten, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt!), Motiv, und Hintergrundgeschichte genau dem entsprachen, was ich mir schon vor geraumer Seitenzahl zusammengereimt hatte. Daher fiel es mir schwer, zu glauben, dass der Protagonist wirklich keine Ahnung hatte und den Ermittlern sogar einen ganz massiven Hinweis verschwieg, der ihm quasi per Haus geliefert wurde – statt direkt auszupacken, um weitere Opfer zu vermeiden!
Meines Erachtens waren ein paar Dinge zu offensichtlich. Wichtige Hinweise fielen schon recht früh und wenig verschleiert, so dass ich davon ausging, es handle sich dabei um falsche Fährten. Nein, leider nicht. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass man als langjährige:r Krimileser:in irgendwann direkt anspringt auf versteckte Hinweise!
[Link] Rezension folgt
A book that didn’t meet your expectations:
Linus Geschke: Das Loft
Mein Fazit in Twitterlänge: Spannende Idee, der die Umsetzung indes nicht gerecht wird. Unsympathische Charaktere erzählen ihre Geschichte in unbeholfenen Gedankenmonologen. Plumpe falsche Fährten, rar gesäte Hinweise auf den Schocker am Ende: keine Chance, das kommen zu sehen.
A book that exceeded your expectations:
Jessica Lind: Mama
Ihr ganzes Leben lang träumt Amira schon davon, Mutter zu werden. Sie sammelt Babynamen, stellt sich ihre Tochter vor, ist mit hundertprozentiger Sicherheit davon überzeugt, in der Mutterschaft ihr Lebensglück zu finden. Dass ihr Mann Josef mit der Vorstellung hadert, Vater zu werden, ändert nichts an dieser Überzeugung. Als sie endlich schwanger wird, zerbricht diese jedoch – der Fötus ist für sie kein Baby, sondern ein wurmartiger Parasit. Dies behält sie jedoch für sich, in der Hoffnung, dass die Geburt alles wieder ins Reine bringen wird. Und das tut sie, aber gleichzeitig auch nicht, denn die Wirklichkeit gerät aus den Fugen.
Mutterschaft, postpartale Depression oder gar Psychose, Eheprobleme – Jessica Lind verpackt diese nur zu realistischen Themen in eine Geschichte, die die Genregrenzen überschreitet. Raum und Zeit verschwimmen, ein Märchen scheint auf surreale Weise zum Leben zu erwachen, die Protagonistin verliert vollkommen den Halt, und doch steht im Zentrum stets das Thema Mutterschaft. Als Traum, als Albtraum, als Weg zum Lebenssinn oder als vollkommener Verlust der Selbstbestimmung…
Ich konnte mich der Geschichte von der ersten Seite an nicht entziehen. Sie hielt mich gepackt mit einem Gefühl der dräuenden Verdammnis und gleichzeitig dem Wunsch nach einer Versöhnung der Erzählerin mit sich selbst. Das ist spannend und ruft viele Assoziationen hervor, die man als Leser:in erstmal sortieren muss. In meinen Augen habe ich nie zuvor etwas gelesen, in dem Mutterschaft so kafkaesk symbolisch-bedrohlich dargestellt wurde, und zugleich so glaubhaft und emotional überzeugend. Jessica Lind nutzt Depersonalisation und Derealisation, schafft einen Abstand durch die Ebene der Märchenerzählung, um ihre Geschichte in einer Vielzahl von Farben zu malen und dabei doch subtil zu bleiben.
[Link] #Rezension Jessica Lind: Mama
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