[ Newsticker ] Toni Morrison verstorben

Profilfoto Toni Morrison

Die Autorin verstarb am Abend des 5. August im Alter von 88 Jahren im Montefiore Medical Center in New York , nachdem ihre Gesundheit sich schon länger stetig verschlechtert hatte.

Es gibt unzählige Artikel über ihr Leben. Ich will hier nicht all ihre Werke auflisten, keine Liste der Highlights ihres Lebens erstellen, nicht einmal auf all die Preise eingehen, die sie für ihre Literatur erhielt. (Lediglich der Nobelpreis sei erwähnt.)

Ich will nur kurz über sie nachdenken. Eine gedankliche Kerze an ihr Grab stellen.

Ich kann mich nicht bewusst an eine Zeit erinnern, in der Toni Morrison keine starke Präsenz in der Weltliteratur war. Daher erschienen mir die Nachrichten über ihren Tod im ersten Moment fast schon absurd, in meinem Kopf war sie unsterblich. Denn sie hat die Welt verändert – da gibt es einen klaren Schnitt zwischen der Welt vor ihrer Literatur und der Welt danach. Als weiße Frau kann ich den gewaltigen Schock nur erahnen, aber wenn ich mich mit ihrer Literatur beschäftige, spüre ich die Vibration dieses Weltenwandels in den Knochen.

Schon als kleines Kind hörte ich, wie sich Erwachsene über “Sehr blaue Augen” unterhielten, war allerdings noch viel zu jung, um die Bedeutung des Buches für die afroamerikanische Literatur auch nur annähernd zu erfassen. Zu dem Zeitpunkt kannte ich schwarze Menschen nur aus dem Fernsehen. Aber das schwarze Mädchen, das blaue Augen haben will, blieb mir im Hinterkopf, so dass ich das Buch ein paar Jahre später las – eigentlich immer noch viel zu jung.

Ich war erschüttert.

Ich war wütend, ich war fassungslos, ich fühlte mich betrogen. Um was und von wem? Keine Ahnung. Aber ich begriff zum ersten Mal, was Rassismus wirklich bedeutet, und hätte dieses Wissen am liebsten in einem Hinterstübchen meines Kopfes eingeschlossen und den Schlüssel weggeworfen.

Der Drang, mehr herauszufinden, kam jedoch schon wenig später. Denn der Same des Gedankens war gelegt: es gibt in dieser Welt eine Ungerechtigkeit unfassbaren Ausmaßes, und das dürfen wir nie, nie, niemals einfach hinnehmen. Ich verstand als kleines Mädchen nicht, warum die Menschen nicht einfach alle aufhörten mit so etwas Schrecklichem.

Auch 2019 wünschte ich, es könnte so einfach sein.

Mir hat das Buch die Augen geöffnet, wie mit Sicherheit unzähligen weißen Leser:innen. Schwarzen Leser:innen gab Toni Morrisons Werk endlich eine literarische Stimme, die sich nicht mehr ignorieren ließ.

Der Nachhall ihrer Worte wird die Jahrhunderte überdauern.

Hoffentlich wird es irgendwann eine Zeit geben, in der ihre Bücher als Erinnerung an ein lange vergangenes Unrecht gelesen werden.

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