#Rezension Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las

Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las

#anzeige: Ein Rezensionsexemplar des Buches wurde mir vom Verlag für eine ehrliche Rezension zur Verfügung gestellt.

© Cover ‘Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las’: Dumont-Verlag
© Foto: A.M. Gottstein


Handlung

“Jeden Morgen sitzt Juliette in der Metro auf dem Weg zu ihrer eintönigen Arbeit in einem Maklerbüro und taucht ein in die Welten ihrer Romane. Mal begibt sie sich mit Marcel Proust auf die Suche nach der verlorenen Zeit, mal begleitet sie Hercule Poirot im Orientexpress Richtung Istanbul – manchmal beobachtet sie auch einfach die Menschen um sich herum, die in ihre Lektüre vertieft sind. Es sind die Bücher, die Juliettes Leben Farbe verleihen. Als sie eines Tages beschließt, zwei Stationen früher auszusteigen, begegnet sie dem schrulligen Soliman, der mit seiner Tochter Zaïde inmitten seiner Bücherstapel lebt. Soliman glaubt, dass jedes Buch, wenn es an die richtige Person übermittelt wird, die Macht hat, ein Leben zu verändern. Auserwählte Boten liefern für ihn diese kostbare Fracht aus, an die, die sie nötig haben. Bald wird Juliette zu einer Botin, und zum ersten Mal haben die Bücher einen wirklichen Einfluss, auch auf ihr Schicksal.”
(Klappentext)

Christine Féret-Fleury: Das Mädchen, das in der Metro las

Meine Meinung

Dieser Roman hat mich mit sehr enttäuschten Gefühlen zurückgelassen.

Vielleicht waren meine Erwartungen zu hoch: aufgrund von Titel und Klappentext habe ich mich auf eine Lektüre gefreut, die mir die verschiedensten Werke der Weltliteratur näherbringt. Ich wollte mit Juliette eintauchen in die Bücher, die sie liest, und sehen, welche Titel sie wohl aussucht für die Menschen, denen sie als Buchbotin begegnet – aber vor allem, wie sich deren Leben dadurch verändert.

Tatsächlich fährt Juliette in den ersten Kapiteln zwar oft Metro – aber sie liest nicht.

Die Verbindung zur Literatur besteht darin, dass sie andere Menschen beim Lesen in der Metro akribisch beobachtet, vor allem diejenigen, die jeden Morgen im gleichen Wagen sitzen.

Überhaupt kommt sie mir zunächst vor wie eine Horderin, keine Leserin. Ihre Wohnung ist so vollgestopft mit Büchern, dass sie sich kaum bewegen kann; auf Flohmärkten kauft sie Romane, die sie nicht interessieren und bei denen sie überhaupt nicht vorhat, sie jemals zu lesen. Bücher sind etwas, das sie von A nach B trägt, aber nicht liest.

Das ändert sich im Laufe der Geschichte, nachdem sie dem schrulligen Soliman begegnet.

Der hat eine Art Antiquariat, verkauft aber scheinbar keine Bücher. Stattdessen packt er Buchpakete, die er jeden Tag seinen Kurieren mitgibt. (Man fragt sich, wie er das wohl finanziert.) Deren Aufgabe ist es, für die Bücher eine neue Heimat zu finden, indem sie Menschen beobachten und herausfinden, wessen Schicksal sich durch ein bestimmtes Buch am vorteilhaftesten verändern könnte. (Wovon leben eigentlich die Kuriere?)

Juliette erfährt davon, schmeißt ihr ganzes Leben über den Haufen, und im krassen Gegensatz zum ersten Teil des Buches wird sie zu einer Leserin, die in jeder freien Minute Bücher verschlingt.

Aber den Leser lässt sie daran nur wenig teilhaben.

Es werden zahlreiche Titel und Autoren erwähnt – aber was mich brennend interessierte, war Juliettes Meinung zu diesen Büchern, darauf wird jedoch nur sehr wenig eingegangen. So ist es literarisches Namedropping ohne viel Substanz. Warum hat die Autorin ihre Charaktere nicht über diese Bücher sprechen lassen, um den Leser mit einzubeziehen in Juliettes Lektüre?

Auch Juliettes Karriere als Buchbotin verfolgt man nur sporadisch. Das erste Buch vermittelt sie quasi zufällig, das zweite an einen Menschen, den sie weder beobachtet noch analysiert hat. Danach wird meist nicht näher darauf eingegangen, dabei wäre genau dieser Aspekt eine Chance für die Geschichte gewesen, sowohl Dynamik als auch Tiefgang zu entwickeln.

Schade, denn die Idee ist großartig!

Man hätte soviel daraus machen können – vor allem einen Roman, der Lust macht aufs Lesen. In meinen Augen erreicht das Buch dieses Ziel jedoch nicht; es erscheint insgesamt halbwegs charmant, aber spannungsarm und blutleer.

Mein Eindruck war, dass diejenigen Charaktere des Romans, die man tatsächlich als Vielleser betrachten kann, als Weltflüchtler porträtiert werden. Sie lassen ihr eigenes Leben an sich vorüberziehen für ein literarisches Leben secondhand. Eine sehr einseitige (und möglicherweise nicht beabsichtigte) Darstellung, die meine Erwartungen, das Buch würde die Liebe zur Literatur vermitteln, komplett auf den Kopf stellt.

Persönlichkeit zeigt Juliette erst, als sie gezwungen wird, eine ganz reale Reise außerhalb ihrer Bücher zu unternehmen.

Die Botschaft scheint zu sein: lebe dein Leben, versuche Neues, ergreife deine Chancen… Eigentlich eine schöne Botschaft, aber auch da geht dem Buch meines Erachtens rasch die Luft aus. Außerdem: kann ein Mensch nicht beides – viel lesen und sein Leben voll und ganz ausschöpfen?

Viele der Charaktere  haben enormes Potential, wie Soliman, seine Tochter Zaïde und ein anderer Buchkurier, den Juliette später kennenlernt, aber sie werden nur relativ oberflächlich dargestellt. Ich könnte bei keinem von ihnen behaupten, dass ich das Gefühl hätte, sie wirklich zu kennen. Zum Teil liegt das sicher auch an der Kürze des Buches.

Gehasst habe ich das Buch nicht.

Die Geschichte hat durchaus ihre schönen Momente, der Schreibstil ist leicht, locker und flüssig… Der Roman hat mich für ein paar Stunden gut unterhalten, mir fehlte allein der Tiefgang – zu viel wird nur angedeutet, übersprungen oder  bleibt an der Oberfläche.

Fazit

Nach den ersten Kapiteln war ich so weit, dass ich das Buch umbenennen wollte in ‘Das Mädchen, das in der Metro Leser stalkt’. Denn Juliette liest nicht im ersten Teil der Geschichte – sie starrt lesende Menschen in der Metro an, hortet Bücher, die sie nicht lesen will, oder trägt sie in der Weltgeschichte spazieren. Im zweiten Teil der Geschichte liest sie wie eine Besessene, lässt den Leser aber kaum daran teilhaben.

Die Geschichte hatte eine großartige Grundidee. Der Antiquar Soliman sendet Kuriere aus, die die richtigen Bücher an die richtigen Menschen verteilen –  lesen, um das Leben zu verändern.  Aber die Bücher, die doch ein so zentrales Element sind, werden meist nur aufgelistet, ohne dass man ihre Wirkung auf die Charaktere sieht, und diese bleiben her blass.

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TitelDas Mädchen, das in der Metro las
OriginaltitelLa fille qui lisait dans le metro
Autor(in)Christine Féret-Fleury
Übersetzer(in)Sylvia Spatz
Verlag*Dumont
ISBN*3832198865
9783832198862
Seitenzahl*176
Erschienen am*27. Juni 2018
GenreGegenwartsliteratur
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches
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