Ein Rezensionsexemplar des Buches wurde mir vom Verlag für eine ehrliche Rezension zur Verfügung gestellt.
© Cover ‘Szczepan Twardoch Wale und Nachtfalter’: Rowohlt Berlin
© Foto: A.M. Gottstein
Handlung
“„Wale und Nachtfalter“ ist ein außergewöhnliches Denk- und Reisetagebuch. Große Erzählkunst – und zugleich ein lebenspralles Bild unserer Zeit. Szczepan Twardoch schreibt nicht nur aufregende Romane, sondern beobachtet die Welt intensiv, mit allen Sinnen und in unterschiedlichen Rollen: als Autor, als Vater und als Reisender in abenteuerlichen Weltgegenden. Sehr persönlich und stilistisch glänzend erzählt er von Krakau und Warschau, von Deutschland und seinen Autobahnen; vom Aufwachsen seiner Kinder; von Ernst Jüngers Haus in Wilflingen oder, ein Höhepunkt des Buchs, vom exotisch kargen Spitzbergen, dem seit langem großpolitisch begehrten Archipel im hohen Norden, wo sich die Dramen der menschlichen Existenz wie unter einem eisigen Brennglas zeigen.“
(Klappentext)
“Die Menschen verdienen alles, und sie verdienen nichts.”
Ins Deutsche übersetzt wurden von 2012 bis 2017 Twardochs Romane “Morphin”, Drach” und “Der Boxer”.
Jetzt folgt also ein ‘Tagebuch vom Leben und Reisen’, das lose in den Jahren 2007 bis 2015 verwurzelt ist. Der Autor schildert darin nicht nur seine geografischen Reisen, sondern auch – und vor allem! – die Reisen des Geistes. Es geht um alles und nichts: Das Buch mäandert durch seine Gedanken, springt scheinbar ziellos zwischen den Zeiten und von Thema zu Thema – und zeichnet dabei doch eine erstaunlich plastische Kartografie seiner Lebenswirklichkeit.
Dabei zeigt Twardoch sich als scharfer Beobachter mit philosophischer Ader.
Szczepa Twardoch wird als herausragender Vertreter der zeitgenössischen polnischen Literatur betrachtet. Für seine Werke erhielt er diverse Preise, wie zum Beispiel 2016 den Literatur- und Übersetzerpreis “Brücke Berlin” für den Roman “Drach”. 2019 wurde Twardoch mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis ausgezeichnet.
Der Themen sind vielerlei: Familie. Schlesische Geschichte. Persönliche Sinnsuche. Literatur. Immer wieder Leben und Tod.
Mancher Gedankengang erweist sich dabei jedoch als Irrgarten.
Dann verläuft Twardoch sich in Nebensächlichkeiten; es wird mühselig, man fragt sich, wo der Sinn des Ganzen liegt und ob man das überhaupt wissen muss. Der Lesefluss stockt, die Sätze entwickeln eine gewisse Starre – aber wenn man gerade daran denkt, die Reise abzubrechen, kommt wieder ein Satz, bei dem man aufhorcht: es lohnt sich doch, dabei zu bleiben. Denn oft ist Twardochs Sprache auf die beste Art eigenwillig, mit wunderbar prägnanten Bildern und Formulierungen. Meist sind es gerade die feinen Beobachtungen des ganz normalen Alltags, die bestechen. Die kleinen Begebenheiten, die man wiedererkennt und doch noch nie so betrachtet hat.
Literatur ist meines Erachtens das Thema, in dem der Autor am meisten brilliert.
Es geht um Twardochs eigene Literatur: die Qual und Euphorie des Schreibens, das Verlorengehen im eigenen Werk – der Schriftsteller wird zum Exponat, das man als Nicht-Schriftsteller bestaunt. Es geht auch um die Literatur anderer Autoren und deren Resonanz im Klangkörper der Gegenwart.
“Ich habe das Ewige Tannenberg abgeschlossen, und mir ist klar geworden, dass kein Buch mich bislang so viel gekostet hat; als hätte ich mich auf den Seiten ausgewrungen. Als wäre ich durch die Tastatur in die Datei gesickert und als wären in mir schreckliche, leere Löcher geblieben. (…) Ich kann mich in Gedanken nicht von diesem Buch lösen, habe nachts Albträume: die, die ich selbst aufgeschrieben habe. Vielleicht ist das gerecht, die kleine Hölle, in die ich den Leser hineinziehe, erst einmal selbst zu durchleben.”
Zitat, beim ‘Ewigen Tannenberg’ handelt es sich um Twardochs Buch ‘Wieczny Grunwald’
Diese Passagen lesen sich ebenfalls wie ein Reisetagebuch: Literatur als verlockend exotisches und doch vertrautes Ziel. Manchmal fühlte ich mich indes auch als Vielleserin fremd in diesem Land. Allzu deutlich empfand ich den Abgrund zwischen meinem eher naiven Literaturverständnis und dem umfassenden Wissen des Autors. Eine Gratwanderung zwischen der Fremdheit, die abschreckt, und der Fremdheit, die neugierig macht – was letztendlich bei mir den Sieg davontrug.
Fazit
Bisher hat Szczepan Twardoch vor allem als Romanautor Aufmerksamkeit erregt, nun legt er mit “Wale und Nachtfalter” ein Tagebuch vor. Es geht ums Reisen, es geht um die Literatur, es geht um die Welt an sich, es geht um alles Mögliche – denn Twardoch lässt sich treiben und nimmt den Leser mit.
Twardochs Überlegungen und Beobachtungen sind prägnant, seine Sätze oft geradezu atemberaubend. Zwar gibt es auch Kapitel, in denen er sich allzu sehr in Details verliert – belanglos wird Buch jedoch nie und ist daher der Mühe wert.
Artikel zu diesem Buch
Neue Zürcher Zeitung
Read OST
Süddeutsche Zeitung
Dandy-Club
Deutschlandfunk Kultur
Titel | Wale und Nachtfalter |
Originaltitel | Wieloryby i ćmy |
Autor(in) | Szczepan Twardoch |
Übersetzer(in) | Olaf Kühl |
Verlag* | Rowohlt Berlin |
ISBN* | 9783737100663 |
Seitenzahl* | 256 |
Erschienen am* | 16. April 2019 |
Genre | Memoir |
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches |
Das Buch auf der Seite des Verlags
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