#Rezension Luke Delaney: Mein bist du

Luke Delaney Mein bist du

© Titelbild ‘Luke Delaney Mein bist du’: Bastei Lübbe

Handlung

DI Sean Corrigan ist nicht wie andere Cops. Die Schatten seiner eigenen Vergangenheit machen ihn empfänglich für die Dunkelheit anderer – für die Abgründe von verlorenen Seelen, von Vergewaltigern, von Mördern. Das macht ihn zu einem außergewöhnlichen Ermittler. Als ein junger Mann brutal ermordet aufgefunden wird, geht die Polizei zunächst von einer Beziehungstat aus. Corrigan vermutet jedoch schnell, dass viel mehr hinter der Sache steckt. Die Jagd nach einem überaus cleveren Killer beginnt. Einem Killer, der weder Gnade noch Reue kennt …
(Klappentext)

Meine Meinung

Der Originaltitel des Buches ist “Cold Killing”, also “Kaltes Töten” oder “Kalter Mord”.  Schon im Prolog gewinnt man als Leser einen deutlichen Eindruck davon, warum der Autor diesen Titel wählte, denn er lässt direkt den Täter selber zu Wort kommen:

“Ich hatte mich bereit erklärt, mit meiner Frau und den Kindern in den Park zu gehen. Sie sind drüben auf der Wiese hinter dem Hügel neben dem Teich. Sie haben gegessen und die Enten gefüttert. Jetzt füttern sie ihren Glauben, wir wären eine ganz normale glückliche Familie. Soweit es sie betrifft, sind wir das auch.”

Schon diese wenigen Zeilen reichten, um bei mir ein beklemmendes Gefühl zu erzeugen – bevor der Täter überhaupt anfing, über seine Morde zu sprechen. Ihm scheint jegliche Empathie abzugehen: Menschen sind für ihn bestenfalls Werkzeuge und Requisiten, schlimmstenfalls Opfer für seine unbändige Lust zu töten.

Und das tut er akribisch geplant, berechnend, ohne den leisesten Hauch von Skrupel.

Im Verlaufe der Geschichte gibt es immer wieder Passagen, die aus Sicht des Mörders geschrieben sind, und am erschreckendsten ist tatsächlich nicht die Gewalt, sondern die absolute, menschenverachtende Gefühlskälte, die aus diesen Szenen spricht.

Diesem Täter steht ein Ermittler gegenüber, der Mörder besser versteht, als ihm lieb ist.

DI Sean Corrigan hat eine Gabe, die es ihm erlaubt, sich in die Denkweise von Mördern, Vergewaltigern und anderen Tätern hinein zu versetzen. Während es auf Außenstehende oft wirkt wie etwas beinahe Übernatürliches, weiß er es doch besser: seine schwere Kindheit hat ihn dermaßen traumatisiert und geprägt, dass ihn nur noch wenig trennt von den Menschen, die er jagt.

Er kann sie verstehen. Er kann ihren Drang, zu töten, nachempfinden.

Ein wenig machte er auf mich den Eindruck eines trockenen Alkoholikers, der genau weiß, dass er dem Durst niemals nachgeben darf – nicht für einen einzigen Tropfen! –, um sich nicht heillos in der Sucht zu verlieren. Es ist schwer zu sagen, ob er mit sich zu streng ist – ob er wirklich töten könnte. Tatsache ist, dass er sich dessen sicher ist.

Und das gibt dem Duell zwischen Mörder und Ermittler eine ganz eigene Atmosphäre und Spannung.

Ich fand sehr interessant, wie der Autor diesen Fall aufbaut: als Leser erfährt man von Anfang an weit mehr, als normalerweise in Thrillern der Fall ist. Viel der Spannung liegt nicht in der Aufklärung der Morde, sondern in der Konfrontation dieser beiden Menschen, die sich bis zu einem gewissen Grad sehr ähnlich sind.

Diese Art der Konstruktion hätte leicht langweilig werden können, falls der Leser zu früh den Eindruck gewinnt, den Fall schon gelöst zu haben. Tatsächlich hat die Handlung aber doch weit mehr an Überraschungen zu bieten, als es über lange Strecken den Anschein macht: man sollte sich nicht zu früh dafür auf die Schulter klopfen! Die tatsächliche Aufklärung ist in meinen Augen brillant konstruiert und lässt im Rückblick einige Szenen in einem anderen Licht erscheinen.

Zugegeben, im Mittelteil gibt es ein paar Passagen, die mir etwas zu langwierig beschrieben waren.

Da verrennt sich Sean Corrigan zu sehr in seine Überzeugung, den Mörder perfekt verstehen zu können und dadurch genau zu wissen, was passiert ist, während er dann doch wichtige Hinweise übersieht oder falsch interpretiert.

Dennoch konnte ich mich immer nur widerwillig von dem Buch lösen, wenn Arbeit oder Haushalt riefen.

Am Schreibstil hat mich besonders beeindruckt, wie vollkommen unterschiedlich er klingt, je nachdem, welchem  Charakter wir gerade folgen oder wer in einer Szene spricht. Viele Szenen weisen eine dichte Atmosphäre auf, und dann kommt wieder eine Szene aus Sicht des Mörders, die an steriler Gefühlskälte kaum zu überbieten ist.

Die Gewalt wird zum Teil sehr explizit beschrieben, da wäre für meinen Geschmack oft weniger mehr gewesen.

Auch ein wenig erschreckend fand ich, mit welcher Selbstverständlichkeit die Ermittler in diesem Thriller bereit sind, Beweismittel zu fingieren, weil sie sich ja absolut sicher sind, wer der Schuldige ist! Luke Delaney ist das Pseudonym eines ehemaligen Ermittlers, der unter anderem für die CID in Mordfällen ermittelte – da fragt man sich doch, wie oft so etwas wirklich passiert…

Fazit

Wegbegleiter

DI Sean Corrigan hat ein Gespür für die Abgründe in den Seelen von Mördern – spürt er diese Abgründe doch auch in sich selbst. In seinen eigenen Augen trennt ihn nur wenig von den Menschen, die er jagt, auch wenn man sich als Leser fragt, ob er da nicht zu streng mit sich selbst ist.

“Mein bist du” stand über drei Jahre ungelesen in einem meiner Bücherregale. Jetzt habe ich es endlich gelesen und einen Debütroman entdeckt, der trotz kleinerer Schwächen viel Spannung und gute Unterhaltung bietet. (Hinweis: auf manchen Webseiten wird dieses Buch als zweiter Band der Reihe gekenzeichnet, es ist aber tatsächlich der erste Band!)

Noch bleiben die Nebencharaktere ein wenig blass, aber dafür ist DI Sean Corrigan ein sehr starker Protagonist, und die Grundlagen für eine solide kontruierte Thriller-Reihe sind in meinen Augen gegeben.

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Mein Lesezauber

Wertung4 von 5 Sternen
TitelMein bist du
OriginaltitelCold Killing
Autor(in)Luke Delaney
Übersetzer(in)Axel Merz
Verlag*Bastei Lübbe
Seitenzahl*512
Erschienen am*18. Juli 2014
GenreThriller
* bezieht sich auf die abgebildete
Ausgabe des Buches

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