© Cover ‘Marie Reiners Frauen die Bärbel heißen’: Fischer Scherz
© Foto: A.M. Gottstein
Handlung
Klappentext:
“Bärbel Böttcher, 54, ledig, keine Kinder, von Beruf Tierpräparatorin, lebt mit ihrer Mischlingshündin Frieda im Haus ihrer toten Eltern abgelegen am Rand einer Kleinstadt. Sie hat weder Familie noch Freunde, und das ist gut so, denn Bärbel ist Eigenbrötlerin aus Überzeugung.”
“Als sie eines Morgens mit Frieda spazieren geht, findet sie im Wald einen Toten, dem ein Stock im Auge steckt. Nachdem Bärbel wohl oder übel die Polizei verständigt und ihre Aussage gemacht hat, ist sie froh, wieder zu Haus auf dem Sofa zu sitzen und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Verkaufssendungen im Shoppingkanal schauen.”
“Bis es an der Tür klingt. Was es sonst nie tut. Und vor Bärbel eine Frau steht, die behauptet, die Ehefrau des Opfers zu sein und die Bärbel im nächsten Moment wenig charmant mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt hat.”
“Dass das erst der Anfang allerlei sich überschlagender Ereignisse war, wird Bärbel schnell klar. Denn alsbald hat sie eine verletzte Schauspieler-Gattin (die Frau des Toten im Wald) im Keller, einen schnüffelnden Lokalreporter im Garten und unwillkommene Scherereien am Hals. Vorbei ist es mit dem beschaulichen Einsiedlerdasein, und Bärbel bleibt nichts anderes übrig, als sich auf die neue Situation einzulassen.”
Mord ohne Aussicht
Meine Meinung
“Frauen, die Bärbel heißen” ist das Roman-Debüt von Marie Reiners die sich bis dato eher als Drehbuchautorin einen Namen gemacht hatte. Ihrer Vorstellung entspringt zum Beispiel die Fernsehserie “Mord mit Aussicht”, eine Krimi-Komödie mit wunderbar schrägem Humor – die ich übrigens nur empfehlen kann, einfach herrlich.
So sprang mir dieses Buch überhaupt erst ins Auge: wegen des Aufklebers, der es als Werk der Erfinderin der Serie anpries. Über das Cover hätte ich sonst womöglich einfach hinweg gesehen, denn ich hätte es eher dem Genre Humor zugeordnet.
Was mich direkt zur Frage bringt: Ja, zu welchem Genre gehört das Buch denn sonst?!
‘Humor’ ist sicher nicht so ganz falsch, denn die Geschichte ist oft zum Schreien komisch – dabei aber böse, bitterböse. Das ist weder “Wollen mer se reinlasse?” noch Quatsch Comedy Club, sondern die Geschichte einer Soziopathin, die ein Mordopfer findet und dadurch in eine abstruse Geschichte verstrickt wird. Also auch irgendwie eine Krimi-Komödie, aber viel abgründiger als “Mord mit Aussicht”.
Und trotzdem ist es auch die Geschichte einer Außenseiterin, die im Alter von 54 erstmals sowas wie Freundschaft kennenlernt, wohlgemerkt erst nach dem Austausch von Gewalt. Bärbel denkt in etwa mit so viel Emotion darüber nach, vielleicht jemanden umbringen zu müssen, wie ich darüber nachdenke, dass ich noch den Müll rausbringen muss.
Originalität / Einfallsreichtum
Wie gesagt, die Geschichte ist abstrus, aber herrlich und einfallsreich und immer wieder überraschend. Und obwohl das alles total überzogen ist, ist es nicht gänzlich unglaubwürdig. Da hat man irgendwie immer im Hinterkopf, dass das Leben die merkwürdigsten Geschichte schreibt, und das hier könnte doch eine davon sein. Vielleicht. Oder nicht?
Spannungsbogen
Die Spannung liegt in meinen Augen nicht mal so sehr darin, wer denn nun den Mann umgebracht hat, in dessem Auge das perfekte Wurfstöckchen steckte, dass Bärbel doch so gerne für ihre Hündin Frieda geschmissen hätte. (Konnte sich der Mörder nicht ein anderes Stöckchen suchen?) Viel spannender ist, wie das alles Bärbels Leben durcheinander bringt und was sie dabei über sich selber lernt.
Dabei bietet ihr Leben im Grunde ohnehin Stoff für direkt mehrere Bücher, denn sie hat mit 14 schon den Selbstmord ihrer Eltern vertuscht, um in Ruhe alleine leben zu können.
Logik / Schlüssigkeit
Allzu genau sollte man das mit der Logik vielleicht nicht immer nehmen. Obwohl, wie schon gesagt, das Leben… Das ist so ein Buch, auf das man sich einfach einlassen muss, auch wenn es manchmal bedeutet, den eigenen Unglauben ein bisschen auszubremsen.
Charaktere
Bärbel ist eine Nummer für sich.
In meinen Augen ist sie zweifelsohne eine Soziopathin, aber keine von der mörderischen Variante. Wobei das nicht heißen soll, dass sie davor zurückschrecken würde, jemanden zu töten! Nur, dass sie dazu normalerweise keine Veranlassung sieht, weil andere Menschen sie schlicht und einfach nicht interessieren.
Sie wäre schon glücklich und zufrieden, wenn die Außenwelt sie einfach in Ruhe lassen würde. Sie will mit ihrem Hund spazieren gehen, ihrer eigenwilligen Diät frönen (sie isst ausschließlich Fleisch), tote Tiere präparieren und Shopping-Sender im Fernsehen anschauen, wo Produkte angepriesen werden, die sie niemals benutzen wird.
Die anderen Charaktere werden natürlich durch ihre Augen gesehen, wodurch man einen sehr verzerrten Eindruck von ihnen bekommt. Denn Bärbel ist sich nicht bewusst, dass ihre Sicht der Welt eine andere ist als die anderer Menschen…
Schreibstil
Der Schreibstil ist grandios, denn die Autorin schafft es, aus Sicht einer Protagonistin zu schreiben, deren Verhalten oft grotesk, gefühlskalt und geradezu grausam wirkt, und dennoch ist man bereit, ihr zuzuhören. Mir ging es schnell so, dass ich richtig mit Bärbel mitfühlte, obwohl sie doch selber nur wenige Gefühle zulässt.
Humor
Ich vermute, dass der Humor etwas ist, das man entweder liebt oder womit man gar nichts anfangen kann. Ich fand ihn großartig. Aber wer noch unschlüssig ist, braucht nur in die Leseprobe hineinzulesen, denn man merkt sehr schnell, wie es um den Humor bestellt ist.
Fazit
Die Erfinderin der Fernsehserie “Mord mit Aussicht” schreibt einen Roman über eine Soziopathin, die nicht nur eine Leiche, sondern auch so etwas wie Freundschaft findet. Das ist böse und schräg, die Charaktere sind alles andere als Sympathieträger, und trotzdem macht das Buch einfach unheimlich viel Spaß. Jedenfalls, wenn man schwarzem Humor nicht abgeneigt ist!
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Titel | Frauen, die Bärbel heißen |
Originaltitel | — |
Autor(in) | Marie Reiners |
Übersetzer(in) | — |
Verlag* | Fischer Scherz |
ISBN* | 9783651025233 |
Seitenzahl* | 368 |
Erschienen am* | 8. März 2018 |
Genre | Krimi / Humor |
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches |
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