© Titelbild ‘Miss Gladys und ihr Astronaut’: Ullstein-Verlag
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Handlung
“Die gute Miss Gladys kann sich nicht mehr alles merken, aber dieser Telefonanruf ist unvergesslich: Der Astronaut Thomas Major ist am Apparat, gerade auf dem Weg zum Mars. Er hat sich natürlich verwählt und will am liebsten gleich wieder auflegen. Aber Miss Gladys und ihre Enkel brauchen seine Hilfe. Zögerlich und leise fluchend wird der Mann im All zum Helfer in der Not. Tausende von Kilometern entfernt, führt er die drei auf seine ganz eigene Art durch schwere Zeiten, denn Familie Ormerod droht ihr Zuhause zu verlieren. Miss Gladys und ihr Astronaut brauchen einen galaktisch guten Plan …”
(Klappentext)
David M. Barnett: Miss Gladys und ihr Astronaut
Meine Meinung
Der Astronaut Thomas Major will vom Raumschiff aus seine Ex-Frau anrufen, gerät stattdessen an die demenzkranke Gladys und schlittert mitten hinein in eine Geschichte, die seine Menschenfeindlichkeit in den Grundfesten erschüttert. Da lässt er die ganze Welt hinter sich, um alleine zu sein – und stellt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt fest, dass Einsamkeit vielleicht doch nicht das ist, was er will.
Realistisch? Jein. Aber spielt das eine Rolle?
Dem Autor gelingt eine wunderbare Mischung aus Humor und ernsten Themen, gepaart mit schrulligen Charakteren, die dennoch etwas sehr Authentisches an sich haben. Natürlich ist es extrem unwahrscheinlich, dass ein Astronaut sich mit seinem Weltraumtelefon verwählt und zum Retter einer kleinen Familie in Not wird – aber ich wollte es glauben, weil mir die Geschichte so sehr ans Herz ging.
Ja, Handlung und Charaktere sind manchmal überzeichnet, die Geschehnisse nicht immer logisch…. Aber die Geschichte ist charmant und hat überraschend viel Tiefgang.
Und das liegt vor allem an den Charakteren.
Gladys ist mir direkt ans Herz gewachsen. Nach dem Tod ihrer Tochter kam auch noch deren Mann ins Gefängnis, so dass Gladys sich jetzt um ihre Enkel Ellie und James kümmern soll – nur dass sie sich kaum noch um sich selber kümmern kann.
Es ist witzig, wenn Gladys verkleidet und mit dem Nudelholz bewaffnet loszieht, um die Jungen, die ihren Enkel mobben, in die Schranken zu weisen. Es ist herzzerreißend, wenn sie sich in klaren Momenten dessen bewusst ist, was sie verliert, oder sich von Herzen freut, wenn irgendwelche Werbehaie anrufen, weil sie dann wenigstens jemandem zum Reden hat.
Auch wenn David M. Barnett das Thema Altersdemenz mit viel Humor anpackt, wird es dennoch nicht respektlos behandelt.
Die 15-jährige Ellie schlägt sich tapfer, aber sie ist heillos überfordert. Sie sollte in ihrem Alter noch nicht so viel Verantwortung tragen müssen, aber das Überleben ihrer Familie hängt einzig von ihr ab. Das ist manchmal schwer zu lesen, aber Gott sei Dank stellt der Autor ihr den gleichaltrigen Delil zur Seite, der vor Lebensfreude sprüht – ein großartiger Charakter.
Ellies kleinerBruder James ist hochintelligent und wissenschaftlich interessiert. Obwohl das Buch “Miss Gladys und ihr Astronaut” heißt, ist es in meinen Augen tatsächlich James, der die bedeutungsvollste Beziehung zum grummeligen Major Tom aufbaut.
Der hatte bei mir schon deswegen einen Stein im Brett, weil ihn der Tod von David Bowie traurig macht.
(Überhaupt hatte ich als großer Fan von David Bowie permanent den passenden Soundtrack zum Buch im Ohr.)
Thomas ist ein waschechter Misanthrop mit einem bitterbösen sarkastischen Humor, aber ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass er im Grunde kein schlechter Mensch ist. Im Verlauf der Geschichte erfährt man nach und nach, warum er sich so entwickelt hat, und ich konnte ihn dadurch immer besser verstehen. Er hat einiges mitgemacht in seinem Leben.
Die Charaktere machen im Verlauf der Geschichte eine wunderbare Entwicklung durch, sie wachsen spürbar an ihren Erlebnissen.
Spannend ist die Geschichte auch, aus zweierlei Gründen.
Zum einen stehen Gladys, Ellie und James immer mit einem Bein im Abgrund. Jeden Moment könnte alles zusammenbrechen und die kleine Familie auseinander gerissen werden, und der Autor treibt das gnadenlos mit fiesen Wendungen auf die Spitze.
Und zum anderen entfernt sich Major Tom immer weiter von der Erde und damit jeder Möglichkeit, sich doch noch gegen die Einsamkeit zu entscheiden. Der Gedanke erschien mir zunehmend tragisch.
Die Geschichte schrammt gegen Ende haarscharf am Kitsch entlang, aber wie es tatsächlich ausgeht, möchte ich natürlich noch nicht verraten. Ich fand das Ende jedenfalls gelungen.
Der Schreibstil konnte mich voll überzeugen: er ist locker und unterhaltsam, kann aber auch die ernsteren Themen gut transportieren.
Fazit
Thomas Mayor hasst die Menschen. Allesamt, ohne Ausnahme. Deswegen ergreift er nur zu gerne die Gelegenheit, die Erde zu verlassen und als Astronaut zum Mars zu fliegen. Nur mit seiner Ex-Frau möchte er noch einmal sprechen, daher nutzt er heimlich das Satellitentelefon – aber am Apparat hat er stattdessen die demenzkranke Gladys. Bevor er sich versieht, liegt das Schicksal ihrer Familie auf einmal auf seinen Schultern…
Knallharten Realismus sollte man nicht erwarten, aber die Geschichte ist charmant und bezaubernd und spricht trotz viel Humor auch ernste Themen an. Mir hat diese Mischung sehr gut gefallen!
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Titel | Miss Gladys und ihr Astronaut |
Originaltitel | Calling Major Tom |
Autor(in) | David M. Barnett |
Übersetzer(in) | Wibke Kuhn |
Verlag* | Ullstein |
ISBN* | 3548289541 978-3548289540 |
Seitenzahl* | 416 |
Erschienen am* | 28. Mai 2018 |
Genre | Unterhaltungsliteratur |
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches |
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