#Rezension Susanne Röckel: Der Vogelgott

Susanne Röckel: Der Vogelgott

Ein Rezensionsexemplar des Buches wurde mir von Netgalley im Auftrag des Verlags zur Verfügung gestellt.

© Cover ‘Susanne Röckel Der Vogelgott’: Verlag Jung und Jung
© Bild Smartphone: Pixabay

Das Buch hat es als Finalist auf die Shortlist der nominierten Bücher geschafft, aber nicht gewonnen.

Handlung

Klappentext:
“Die Mitglieder einer wissenschaftlich orientierten Familie werden durch eine zufällige Entdeckung auf einem Kirchenbild in den schwer durchschaubaren Mythos eines Vogelgottes hineingezogen mit einem Sog, dem sie so wenig widerstehen können wie der Leser dieser Geschichte. Spätestens als sich herausstellt, dass dieser Mythos eben nicht nur ein Mythos ist. Es ist eine sagenhafte, aber elende Gegend dieser Erde, wo die Verehrer des Vogelgotts leben, die ihm allerdings weniger ergeben als vielmehr ausgeliefert zu sein scheinen. In diesem unwiderstehlichen Roman entpuppt sich eine geheime Welt als die unsere, in der die Natur ihre Freundschaft aufkündigt und wir ihrer Aggression und Düsternis gegenüberstehen. “

Die Haut der Zivisilation ist hauchdünn

Meine Meinung

“Der Vogelgott” ist ein Roman, der Assoziationen weckt, vor allem mit Kafka, aber auch Edgar Allen Poe und H.P. Lovecraft klingen an. Meine Notizen strotzen nur so vor Begriffen wie “befremdlich”, “bösartig” und “bedrohlich”, aber auch “unwiderstehliche Sogwirkung” habe ich mir direkt dreimal notiert. Wenn ich das Buch in nur einem Satz beschreiben müsste, würde ich meine Gedanken wie folgt zusammenfassen:

Susanne Röckel hat mit “Der Vogelgott” einen schwarzromantisch-abgründigen Schauerroman geschrieben.

Dieses Genre war vor allem im 18. und 19. Jahrhundert beliebt, aber die Autorin zeigt eindrucksvoll, dass Schauerliteratur auch in einem modernen Setting funktionieren kann. Ein gewisses Gefühl des Anachronismus unterstreicht dabei nur die Wirkung ihres Romans.

Sie erzählt die Geschichte des begeisterten Ornithologen Konrad Weyde und seiner erwachsenen Kinder Thedor, Dora und Lorenz. Vier Menschen mit gänzlich verschiedenen, in vielerlei Hinsicht sogar konträren Lebenssituationen und Naturellen – und dennoch verwebt sich ihrer aller Leben mit dem unheilvollen Kult des Vogelgottes.

Es beginnt damit, dass Vater Konrad einen greifenähnlichen Vogel erlegt und damit die Weichen stellt für eine Reise ins Herz der Finsternis.

Thedor, der sein Medizinstudium abgebrochen hat, lässt sich von einem Fremden für ein Hilfsprojekt in Afrika rekrutieren, wo die Geschehnisse eskalieren und in einem archaischen Blutbad enden. Die angehende Kunsthistorikerin Dora entdeckt, dass ein kitschig-süßliches Madonnenbild über ein anderes Bild gemalt wurde, das schreckliche Vogelgestalten oder möglicherweise böse Engel zeigt. Der Journalist Lorenz schließlich beschäftigt sich mit den furchtbaren Albträumen, die zahllose Kinder der Stadt plagen und die sich erstaunlich ähneln.

Sie alle begegnen (ohne es zu ahnen) menschlichen Boten des Vogelgotts, die einen leichten Aasgeruch verströmen und sowohl widerwärtig als auch charismatisch erscheinen. Das Vogelmotiv zieht sich durch ihre Geschichten – mal sind Vögel dabei die Personifizierung der Angst, mal das Symbol des abgrundtief Bösen.

Was den vier Weydes widerfährt, liest sich wie ein Albtraum.

Die Zivilisation, so scheint es, ist wenig mehr als Blendwerk. Darunter verbirgt sich eine mythologische Naturgewalt, der der Mensch wenig entgegenzusetzen hat. Immer wieder wird ihnen Hilfe verweigert oder sie werden von anderen Menschen ignoriert – im buchstäblichen Sinne hilflos werden sie mitgerissen von ihren Erlebnissen.

Da sich die Geschichten der Geschwister überlappen, sieht man manche Geschehnisse oder Personen aus verschiedenen Perspektiven. Motive wiederholen sich und verstärken dadurch die Aura des Unvermeidlichen.

Realistisch ist das nicht und will es auch nicht sein.

Die Schauplätze bleiben angedeutet und vage, der Leser kann die Lücken also beliebig mit Orten seiner eigenen Lebenswirklichkeit füllen.

Wie zu Beginn meiner Rezension bereits erwähnt, taucht “unwiderstehliche Sogwirkung” in meinen Notizen dreimal auf, und tatsächlich fiel es mir schwer, den Roman auch mal zur Seite zu legen. Das ist jedoch keine Spannung, die sich mit der eines Thrillers vergleichen lässt – eher mit der eines Gruselkabinetts oder einer Geisterbahn.

Die Charaktere sind zwiespältige Gestalten.

Sie wirken authentisch, wie Menschen aus Fleisch und Blut, und zugleich wie Personifizierungen des menschlichen Strebens nach Sinn – wie die Charaktere in Kafkas Werken sind sie dabei scheinbar zum Scheitern verurteilt.

‘Verschwinden’ hieß das Lieblingsspiel von Thedor, Dora und Lorenz, als sie Kinder waren: ein sehr ähnliches Spiel wie ‘Verstecken’, aber ohne den Wunsch, gefunden zu werden. Und auch das zieht sich wie ein Leitmotiv durch ihre Geschichte.

Der Schreibstil ist klar und dennoch immer am Rande des Absonderlichen.

Die Geschichte verliert nie das Flair des unterschwellig Bedrohlichen, und Wörter wie “krächzend” schleichen sich in die verschiedensten Situationen, so dass das Vogelmotiv immer präsent ist.

Fazit

Buchliebling

Ein Vater und seine drei erwachsenen Kinder geraten auf verschiedensten Wegen in den Dunstkreis eines archaischen Kultes, der einen Vogelgott verehrt. Das ist weder Thriller noch Fantasy, sondern am ehesten ein schwarzromantischer Schauerroman, der an Kafka, Poe und Lovecraft erinnert.

Ich fand das Buch großartig, habe aber auch schon wenig begeisterte Stimmen gehört. Vielleicht kann Kafka als Prüfstein herhalten: wer seine Werke schätzt, wird vermutlich auch dem Vogelgott etwas abgewinnen können, und umgekehrt.

 

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TitelDer Vogelgott
Originaltitel
Autor(in)Susanne Röckel
Übersetzer(in)
Verlag*Jung und Jung
ISBN*3990272144
978-3990272145
Seitenzahl*272
Erschienen am*2. März 2018
GenreSchauerroman
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches
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