#Rezension Angela Marsons: Silent Scream – Wie lange kannst du schweigen?

Silent Scream

Handlung

Eisig glitzert der Frost auf der tiefschwarzen Erde des Black Country, als die Geräte der forensischen Archäologen den Fund menschlicher Überreste anzeigen und Detective Kim Stone den Befehl zur Grabung erteilt. Nur wenige Schritte entfernt, aber im Nebel doch kaum sichtbar, liegt das verlassene Gebäude des Kinderheims. Eine der ehemaligen Angestellten ist bereits tot, und auch das Leben der verbliebenen hängt am seidenen Faden. Kim ist überzeugt, dass die Lösung des Falls im lehmigen Boden begraben liegt, doch um ihm auf den Grund zu kommen, muss sie sich den Dämonen ihrer eigenen Kindheit stellen. Und noch ahnt sie nicht, was sich in Crestwood zugetragen hat und mit wem sie sich anlegt …
(Klappentext)

Meine Meinung

Detective Kim Stone ist eine Frau, die es niemandem leicht macht: Verdächtigen nicht, ihren Kollegen nicht, ihrem Chef nicht, und sich selbst schon mal gar nicht. Sie hat kein Taktgefühl und keine Geduld, sagt schonungslos, was sie denkt, ist dabei brutal ehrlich und scheut sich nicht, Menschen vor den Kopf zu stoßen. Das ist nicht mal böse Absicht, sondern einfach komplettes Unverständnis für zwischenmenschliche Feinheiten, was wahrscheinlich daher rührt, dass Kim die ersten sechs Jahre ihres Lebens mit einer schizophrenen Mutter und danach den Rest ihrer Kindheit in wechselnden Pflegefamilien und Heimen verbracht hat.

Ermittler mit emotionalem Knacks sind dermaßen zum Standard geworden, dass es schon wieder langweilig wird. Aber hier fand ich es sehr spannend, gerade weil es auch eine Rolle für den Fall spielt – im Mittelpunkt stehen ein verlassenes Kinderheim und seine ehemaligen Bewohner, und schnell geht Kim dabei jede professionelle Distanz verloren.

Das Buch spart nicht mit Sozialkritik.

Das System lässt seine Schutzbefohlenen im Stich: oft wird viel zu lange weggeschaut, und Heimkinder, die zu ihrem eigenen Schutz von ihren Familien getrennt wurden. erleben im Heim erneut Vernachlässigung, Misshandlung und sexuelle Gewalt. Die Autorin integriert diese ernsten Themen in die Krimi-Handlung, ohne dass es der Spannung Abbruch tut, und das ist in meinen Augen sehr gut und differenziert geschrieben.

Ungeachtet dessen, dass Kim ein sehr schwieriger Mensch ist, sind ihre Kollegen ihr in bedingungsloser Loyalität verbunden, selbst ihr vielgeplagter Chef. Auch, wenn sie direkte Befehle missachtet, sogar, wenn sich Verdächtige über sie beschweren, hat ihr Verhalten nur selten Konsequenzen, was gelegentlich etwas unglaubwürdig wirkte. Aber sie ist eine so starke, ungewöhnliche Protagonistin, dass ich nachvollziehen konnte, warum die Menschen um sie herum ihr vieles verzeihen.

Obwohl die anderen Charaktere neben Kim manchmal verblassen, sind einige davon für sich genommen trotzdem sehr interessant, komplex und glaubhaft. Besonders faszinierend finde ich die Zwillingsschwestern Nicola und Beth, die Kim zu ihren Erfahrungen im Heim befragt, denn zwischen den beiden herrscht eine bemerkenswerte Dynamik: gegenseitiger Hass und dennoch Liebe, in gewissem Maße sogar Abhängigkeit. Wie Kim und ihr Zwillingsbruder Mikey, sind auch Nicola und Beth schon früh unter die Räder des Systems geraten.

Positiv aufgefallen ist mir übrigens die Diversität der Charaktere!

In den meisten Büchern sind die handelnden Personen allesamt weiß und heterosexuell, aber hier herrscht ganz selbstverständlich eine größere Vielfalt.

Der Leser bekommt schon im Prolog einen kleinen Einblick in die Vergangenheit und ist der Polizei damit direkt einen Schritt voraus. Fünf Menschen haben damals eine schwere Schuld auf sich geladen, und schnell wird klar: irgendjemand weiß von dieser Schuld, denn nach kurzer Zeit ist einer der Fünf tot und der Rest schwebt in Lebensgefahr. Was also ist in diesem Kinderheim passiert?

Viel der Spannung beruht auf einer zunehmend dichter werdenden beklemmenden Atmosphäre.

Die Autorin legt das Augenmerk mehr auf das Seelenleben der Charaktere als auf Action oder Gewaltorgien, und mir hat das sehr gut gefallen. Manchmal verläuft die Geschichte für meinen Geschmack vielleicht etwas zu gradlinig, aber gegen Ende gibt es dafür eine wirklich großartige unerwartete Wendung, durch die man im Rückblick viele Dinge mit ganz anderen Augen sieht!

Einige Szenen sind aus Sicht des Mörders geschrieben, und dennoch habe ich bis zum Schluss vollkommen im Dunkeln getappt, wer dahintersteckt. Das ist alles sehr gut konstruiert, so dass es trotz Überraschung im Rückblick Sinn ergibt.

Den Schreibstil ist einfach großartig: intelligent geschrieben, mit originellen Formulierungen, einem fantastischen Sprachrhythmus und einer Prise trockenen Humors. Gerade die Dialoge fand ich sehr gelungen: glaubhaft und in genau dem richtigen Takt und Tempo.

Fazit

Buchliebling

Detective Kim Stone ist eine hervorragende Ermittlerin – zwischenmenschlich dafür aber eine ziemliche Niete. Es grenzt schon an ein Wunder, wenn sie mal eine Stunde lang niemandem auf den Schlips tritt, und meist ist ihr das auch noch total egal. Ich fand sie gerade deswegen interessant, weil sie alles andere als perfekt ist, und mir war sie trotz ihrer Art sympathisch. Das Herz hat sie auf dem rechten Fleck, auch wenn ihr Mundwerk keinen Filter hat!

Der Krimi bietet Spannung, verbindet das aber mit einer guten Dosis Sozialkritik, denn es geht unter anderem um die alles andere als löblichen Zustände in einem ehemaligen Kinderheim. Die Geschichte mit ihren verschiedenen Handlungssträngen und Wendungen ist gut durchdacht, und das Ende fand ich überraschend und doch überzeugend. Auch der Schreibstil konnte mich voll überzeugen.

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Wertung4,5 von 5 Sternen
TitelSilent Scream – Wie lange kannst du schweigen?
OriginaltitelSilent Scream
Autor(in)Angela Marsons
Übersetzer(in)Elvira Willems
Verlag*Piper
Seitenzahl*464
Erschienen am*1. März 2016
GenreKriminalroman
* bezieht sich auf die abgebildete Ausgabe des Buches

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